ich wollte mal ein kleines politisches Fass aufmachen.

Und zwar beschäftigt mich ein Phänomen, dass zur Zeit recht aktuell, aber auch sicher nicht neu ist und das man als Etikettenschwindel bezeichnen könnte. Und da dachte ich, ich erzähl einfach mal. ^^
So richtig aufmerksam wurde ich darauf jetzt mit dem jüngsten Skandal, dem falsch deklarierten Fleisch und auch den Bio-Eiern - aber es gibt IMO viele ganz verschiedene Beispiele, die auf den ersten Blick gar nicht vergleichbar sind, aber doch von ähnlichen Gedanken getragen werden (ich zähl mal in loser Reihenfolge auf):
- Umweltzone / Umweltplakette: Wenn man heute in eine größere Stadt fährt, bekommt man immer öfter ein stolzes Schild mit der Aufschrift 'Umweltzone' zu sehen und passend dazu viele Autos mit grünen Plaketten. Die Suggestion: Hier wird die Umwelt geschont, was sollte das Schild sonst aussagen? Tatsächlich ist die Stadt die gleiche wie vorher mit all den Abgasen, nur die Beschriftung ist eine neue. Eine 'nur' messbare Veränderung ist halt keine tatsächliche.
- grüner Punkt: Eine Plastikverpackung verrottet nicht, auch wenn man sie als 'grün' bezeichnet. Der Glaube allein, dass die Verpackung plötzlich keinerlei Umweltprobleme mehr verursacht, weil sie einheitlich gesammelt wird, ändert daran nichts.
- Autoreifen-Label: Mit dem neuen EU-Label entsteht der Anschein, dass alle Autoreifen anhand dreier Kriterien (Spritverbrauch, Haftung auf Nässe, Lautheit) nach ihrer Qualität abschließend beurteilt werden können - andere Faktoren bleiben außen vor. Was nützt dieses Label für die Beurteilung, was der Reifen tatsächlich kann?
- neue GEZ: Die Qualität des ÖR-Rundfunks gleicht sich immer mehr den privaten Sendern an, insbesondere was die Häufigkeit und Intensität der Werbung angeht, die Einblendung von Trailern im laufenden Programm, 'Abschneiden' der Spielfilme vor dem Abspann.. ein 'Prädikat' ist die Bezeichnung ARD/ZDF jedenfalls nicht mehr. Was man bezahlt, ist ein alterndes Image.
- Euro-Währung: Wir schreiben auf Lire, Peseten und Drachme einfach Euro drauf und schon sind es stabile Währungen und ihre Länder kraftstrotzende Volkswirtschaften. Der Bluff ist wohl geplatzt.
- Lebensmittel-Siegel: Die 'geschützte Herkunftsbezeichnung' einer EU-Verordnung sieht man immer häufiger auf Schwarzwälder Schinken oder bayrischem Bier - letzt endlich geht die VO aber so weit, dass es ausreicht, wenn das Produkt überhaupt mal in der Region gewesen ist oder dort mit fremden Zutaten produziert wurde - mehr nicht. Das Bio-Siegel ist ebenfalls ein recht dehnbarer Begriff, der in der Hauptsache dem Profit der Agrarwirtschaft dienlich ist, aber von artgerechter Haltung der Tiere oder komplettem Verzicht auf Pestizide weit entfernt ist.
Soweit zu politisch motivierten 'Etiketten', denke es ist einigermaßen klar was ich meine.. Privatwirtschaftlich gibt es natürlich die schiere Menge an suggestiven Labeln vom Activia-Gebräu über Kinderschokolade bis zum Marlboro-Mann..
Aber es gibt auch eine Gegenbewegung zu dieser Fülle an irreführenden Bezeichnungen, nämlich auf dem sozialen Sektor. Da hat die nationale Armutskonferenz mal 23 Unwörter gekürt, die man wegen ihrer Missverständlichkeit nicht mehr sagen sollte: http://nationalearmutskonferenz.de/inde ... -unwoerter
Es geht also auch andersrum: Man benennt etwas einfach neu, so dass keine mehr weiß was es vorher war und das bezeichnete Problem ist weg.
Was meint ihr, leben wir in einer Bananenrepublik oder kommt es mir nur so vor?
Gruß